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exotik

  nachdem sie mich erst anschwärzten

zogen sie mich dann durch den kakao

um mir schließlich weiß machen zu wollen

es sei vollkommen unangebracht

schwarz zu sehen

(May Ayim, blues in schwarz weiss, S. 66)

Gestern hatte ich mich noch kurz und knapp gefasst und im Artikel „Neues Jahr: Alter Rassismus“  beschrieben, was zur Zeit am Schlosspark Theater in Berlin abläuft. Zusammenfassung: Für die Aufführung eines Theaterstückes („Ich bin nicht Rappaport“) wird ein weißer Schauspieler in Blackface geschminkt. Ich rief dazu auf sich doch bitte beim Theater zu beschweren.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht gelesen, was das Theater auf seiner Facebookseite, wo inzwischen auch Kritik auflief und immer noch aufläuft, als Antwort geschrieben hatte (und jetzt weiter geschrieben hat). Diese Antworten und der weitere Umgang mit der Problematik zeigen viele der typischen Argumentationsmechanismen auf. Folgendes ist die erste Stellungsnahme:

An diesen paar Sätzen ist einfach schon so vieles falsch, dass nur mein Wunsch diesen Artikel zu veröffentlichen mich daran hindert, meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen. Liebes Schlosspark Theater, nur, weil der Schauspieler die Rolle schon einmal spielte, macht es die Sache nicht richtiger. Ebenfalls wäre noch die Frage zu klären, ob damals ebenfalls Blackface verwandt wurde. Auch die Zustimmung des Autors ändert nichts an der rassistischen Darstellung (hier genauso die Frage, ob der Autor auch dem Blackface zugestimmt hat).

Zum zweiten Teil der Antwort: 1. Der Einsatz eines/r weißen Schauspielers/in bedeutet nicht automatisch Blackface. 2. Warum Schwarzer Schauspieler in Anführungsstrichen geschrieben wird, ist auch eine interessante Frage. 3. Verdammt nochmal, was ist so schwer daran nicht-weiße Schauspieler_innen einzustellen?! Natürlich ist es problematisch, wenn man diese nur für die wenigen im westlichen Kanon vorkommenden konkret als nicht-weiße Personenen bezeichnete Figuren einzusetzen gewillt ist. Aber hier liegt das Problem beim Theater: a) Nichts  (ich verspreche: NICHTS) spricht dagegen Figuren, die oftmals mit weißen Schauspieler_innen besetzt von PoC (People of Colour) spielen zu lassen. b) Könnte dies ja auch mal zum Anlass genommen werden, das Repertoire an Stücken zu erweiteren.Dem Theater wird keineswegs bewusst, dass das Bestehen auf weiße Schauspieler_innen (die ja scheinbar alles und jeden spielen können, denn sie sind ja der Standard) an sich eine tief rassistische Ansicht ist und auch ein Spielplan, der keinen Platz für regelmäßige Auftritte von PoC lässt, ist diskriminierend!

Die vollendete Krönung der Ignoranz (und des Auslebens ihrer weißen Privelegien) brachte das Schlosspark Theater dann im nächsten Beitrag ihrerseits:

Ok. Wohin k*tz ich als erstes? Ah ja: Hier in meinen Blog. Der Hinweis, dass Blackface auch in anderen deutschen Theaterproduktionen verwendet wird, macht doch aber die Praxis nicht weniger rassistisch! Es zeigt nur, wie in unserer Gesellschaft auch offener Rassismus durchkommt. Und es zeigt leider auch, wie unreflektiert in vielen Theatern mit der Thematik umgegangen wird. Es ist doch absolut traurig, dass beim Theater, wo man auf kritische Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft hofft, Rassismus ein Kavaliersdelikt (wenn überhaupt ein Delikt) zu sein scheint. Ein weiteres Beispiel erwähnte auf der Facebookseite des Theaters jemand des Ensembles Label Noir: Eine Aufführung des Stückes „Clybourne Park“ am Deutschen Theater in Berlin wurde abgesagt, da der Autor eindeutig die Besetzung mit weißen Darsteller_innen verbat. Es war dem Theater also lieber das Stück nicht zu zeigen, als sich ernsthaft damit Auseinanderzusetzen, warum sie keine Schwarzen Darsteller_innen haben/ einsetzen. Die Blindheit für Rassismusprobleme und die Existenz Schwarzer Schauspieler_innen (was ja auch ein Rassismusproblem ist) gibt es also in vielen deutschen Theatern. Wie es auf der anderen Seite Schwarzen Schauspieler_innen ergeht, hat Zapp (mit Blick auf das Fernsehen) vor einiger Zeit ergründet:

Anm.: Ich denke überings nicht, dass es die Rolle von Filmen (oder auch Theater, Literatur etc.) ist, die Realität abzubilden. Ich denke auch, dass diese Medien darüber hinausgehen können und sollten, in dem sie mehr Möglichkeiten oder sogar ganze Utopien aufzeigen können. Außerdem würde ich auch nicht die „Realität“ so loben, denn genau diese „Realität“ ist ja auch Grundlage für die rassistischen Einstellungspraxen.

Aber weiter zum eigentlichen Text des Schlosspark Theaters: „Mit den Rassismus-Vorwürfen liegt ihr alle voll daneben!“. Wow. So eine Dreistigkeit ist kaum zu überbieten. Die Kritik ist sicher sehr heftig und kommt scheinbar für das Theater absolut unvorbereitet, aber so ein unsouveräner Umgang ist schon … gruselig. Die Deutungsmacht dermaßen an sich zu reißen, zeigt, wie wenig (= gar nicht) sich mit Rassismus beschäfftigt wurde und der Ton der Aussage weist auch darauf hin, wie gering der Wille ist fehlendes Wissen aufzuholen, sich zu entschuldigen und angemessen zu reagieren.Geradezu peinlich wirkt es dann, wenn Mitarbeiter_innen des Theaters bei Facebook verkünden, wie toll sie das Stück finden und dass man es doch erstmal ansehen sollte… (Davon abgesehen, dass es in der gesamten Diskussion nicht um den Inhalt des Stückes sondern alleinig um die Blackface-Praxis geht, werde ich dem Theater nicht auch noch 16€ dafür geben, dass sie nicht mit Rassismuskritik umgehen können.)

Mittlerweile schwappt die Diskussion auch zu Journalist_innen über. Leider ist der erste Artikel etwas unsouverän, spricht der Artikel beim DRadio Wissen doch vom „Rassismusvorwurf„, als müsse noch ausdiskutiert werden, ob die Praxis nun wirklich rassistisch sei oder nicht… Hoffen wir aber, dass der Druck weiter zunimmt! Ein guter Anfang ist auch der neuen Facebook-Gruppe „Schluß mit rassistischen „blackface“ Aufführungen„.

Weitere gute Artikel zum Thema findet ihr hier:

Bei this is just a test findet sich ein (gewohnt dreister) Antwortbrief des Theaters auf die Rassismuskritik: „Blackface in 2012, das Schloßpark Theater in Berlin bietet eine armselige Vorstellung „. Bei stop!talking. wurde der wunderbare rant „You Know It’s A Bad Idea When It’s Blackface.„. Und Nadine Lantzsch hat auf ihrem Blog medienelite analysiert, „Was das Recht zu Blackface sagt…„.

Edit: Da Kritik direkt beim Theater ja nicht ankommt, gibt es mittlerweile einige Vorschläge, wo noch Beschwerden einreichbar sind. „Schluß mit rassistischen „blackface“ Aufführungen“ findet sich der Aufruf sich beim Werberat (über die Poster, die ja in der Stadt aushängen) zu beschweren. Auf der  Facebookseite des Schlosspark Theaters hat eine Userin einen Briefvorschlag veröffentlicht, den jede_r an die Antidiskriminierungsstelle in Berlin schicken sollte. Auszug: „Nicht genug, dass hier unverhohlen Rassismus propagiert, schwarze Menschen diffamiert, diskriminiert und sich über die Kritikerinnen und Kritiker dieser Praxis weißer Privilegierung lustig gemacht wird, das Schlosspark Theater bekennt sich somit auch offen zu einer diskriminierenden Einstellungspraxis, wenngleich es (auch) aus öffentlichen Geldern des Landes Berlin finanziert wird.“ Auf gehts!

freiheit der kunst

wortäußerungen

zweier autorinnen

in sprachlich leicht veränderter form

und inhaltlich getreuer fassung

Frau K.:

für sie

mag das wort

>neger< oder >mulatte<

eine beleidigung sein

ich bin nicht ihrer meinung denn

ich habe es nicht so gemeint

für mich klingen solche worte

melodisch und klassisch

greifbar sinnlich statt unnahbar sachlich

meine kreativität bleibt mir von kritik unberührt

ich habe mich noch nie für etwas geniert

einer meiner texte heißt

>ausländer rein<

ich kann also nicht

rassistisch sein…

[…]

(May Ayim, blues in schwarz weiss, S. 76)

10 Kommentare zu “Nachtrag/-tritt: Rassismus und Rassismuskritik in der deutschen Theaterszene am Beispiel des Schlosspark Theaters. Ein Drama.

  1. die formulierungen der tatbestände deinerseits fielen leider ein wenig unsachlich aus (es ist nicht nötig sich jedes mal anzuschbeiben, wenn mensch sich ärgert). im prinzip bejahe ich sie jedoch inhaltlich weitgehend.
    das argument des schlosspark theaters berlin, dass auch in anderen inszenierungen nicht jedes mal auf einen darsteller/eine -in des herkunftslandes oder ähnlich phänotypischer merkmale fiktiver personen zurückgegriffen werden kann – wir haben es hier mit schauspiel (-> produzieren einer illusion), nicht mit reportage zu tun – vermag ich zu akzeptieren.

  2. Pingback: » rassismus ist kein künstlerisches stilmittel riotmango

  3. Pingback: Mädchenmannschaft » Blog Archive » Geschlechterrollen, Nordkorea und Rassimus: Die Blogschau

  4. Niemand, auch Schauspieler, sollten nicht wegen ihrer Hausfarbe eingestellt oder nicht eingestellt werden. Wenn das überall sonst gilt, muss es auch fürs Theater gelten.

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  7. Pingback: Mädchenmannschaft » Blog Archive » Unglaublich, aber auch 2012 sind rassistische Traditionen noch rassistisch

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