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Die re:publica ist die instituionalisierte Wahrmachung der Warnung unserer Eltern: „Trefft euch ja nicht mit fremden Menschen aus dem Internet!“. Doch genau dafür ist die re:publica da, endlich all jene Menschen zu treffen, deren Blogeinträge mensch liest oder mit denen mensch lustige Diskussionen auf Twitter führt. Hier folgt nun meine persönliche Zusammenfassung der drei Tage. Eine kritische Ausseinandersetzung mit der Veranstaltung folgt bald an anderer Stelle (hier nur ein paar Stichwörter: Barrierefreiheit (da positives und negatives), Antifeminismus, überhaupt kaum Auseinandersetzungen mit *ismen, sehr weiße Veranstaltung, Werbezeug).

Tag 1

Meine erste Veranstaltung war DIY Barrierefreheit – Wie man das Netz nutzt um weiter zu kommen und war für mich ein guter Start, zeigte sie doch a) wie das Internet genutzt werden kann, um gesellschaftliche Probleme anzugehen und b) wie ich selbst für Barrierefreiheit sorgen kann. Raul Krauthausen von den SOZIALHELDEN sprach kurz über die mittlerweile sehr bekannte wheelmap.org, eine Karte, in der jede_r Orte nach ihrer Barrierefreiheit einordnen kann. Dannach stellte er eines seiner neusten Projekte vor: brokenlifts.org. Auf dieser Seite werden die Ausfälle von Aufzügen des Berliner Nahverkehrs visualisiert. So lässt sich dann beispielsweise sehen, dass einer der Aufzüge S Bornholmerstraße in den letzten 200 Tagen 95% der Zeit defekt war. Random Fact: In Berlin gibt es ein barrierefreies Gefängnis (Spandau). Raul: „Inklusion at its best.“ Anschließend erklärte Maik Wagner , wie mensch den eigenen Blog etwas barrierefreier gestalten kann durch das Einfügen von Alternativtext bei Bildern. So können diese nämlich auch von Screenreadern (wie sie Blinde benutzten) erfasst und wiedergegeben werden.

Ein 3D-Drucker, der eine rosa Trillerpfeife ausdruckt

Den gesammten Nachmittag des Tages hatte ich mir voll gepackt mit einem Wissenschafts-Marathon. Ich hörte Das entfesselte Wissen, Raus aus dem Elfenbeinturm und Wissenschaftliches Bloggen in Deutschland. Eine sich durch alle Sessions durchziehende Erkenntnis war, dass es im Bildungs- und Wissenschaftsbereich definitv einen Kulturwandel braucht. Bei Raus aus dem Elfenbeinturm wurde festgestellt, dass mutige Vorreiter_innen nötig wären, die sich auch trauen mal Fehler zu machen. Den drei Sessions werde ich hier im Rahmen des Blogs noch einmal eigene Beiträge widmen.

Ausklingen lassen habe ich meinen Tag bei Hackerbrause: Schlaflos durchs Weltall. Gut unterhalten mit der Geschichte der Mate, dem Hackerbrausen-Quartett und Mate-Kuchen-Backen – viel mehr braucht es doch kaum.

Drei Menschen stehen auf einer Bühne, hinter ihnen ist eine Zutatenliste an die Wand projeziert. Mit vielen Zutaten und einem bemalten Karton (als Ofen) tun sie so, als würden sie einen Kuchen backen.

Tag 2

Mein zweiter Tag war noch viel voller und ich kann kaum glauben, dass ich es tatsächlich zu all diesen Sessions geschafft habe. Los ging es mit der einzigen Veranstaltung, die ich auf der Stage 1 gesehen habe: Tim Prilove sprach über Die Wiederentdeckung der Langsamkeit: Warum Podcasts funktionieren. Der Vortrag bot vll. nicht allzu viel neues, aber er war gut gemacht, unterhaltsam und ein Blick ins Publikum (sicher 90% Männer) erinnert, dass es viel zu wenige Podcasts von Frauen* gibt (und viel zu wenig feministisch orientierte sowieso).

Dann ging es direkt zu Theater und digitale Medien – ein Trauerspiel, wo von allen von mir besuchten Sessions am intensivsten diskutiert wurde. Denn hier taten sich eben jene Schluchten auf, die Tina Lorenz zu überbrücken suchte: klassische Theaterszene und Neue Medien Welt. Als einer der Zuschauer_innen monierte, er wolle aber „nicht dieses Social Media Zirkus auf der Bühne und in der Vorstellung auf beleuchte Bildschirme gucken“, brandete erstmals Applaus auf. Aber es gab auch Gegenstimmen, so lud jemand zur größten Theatermesse Europas: der gamescon und machte damit darauf aufmerksam, dass es ja gerade auch in der technikaffinen Szene ein großes Interesse an storytelling und Schauspiel gäbe. Die Frau, die neben mir saß, konnte das alles nicht überzeugen, ganze 60 Minuten schüttelte sie frenetisch den Kopf.

Danach hörte ich die MacherInnen des Filmfestivals Cinema Out of Your Backpack. Die Festivalidee finde ich sehr nett, doch der allgemeinen Aussage folge ich nicht: Ja, auch ich sehe, dass Filmemachen heute um einiges einfacher und günstiger ist als noch vor wenigen Jahren. Doch dass sich heute „jede_r eine Kamera kaufen kann, selbst Studierende, wenn sie etwas sparen“ ist schlicht und ergreifend elitärer Mist. Zur Entspannung habe ich mir dann die Session zu Foodblogs gegeben.

Drei Vortragende stehen vor Zuschauern. Im Hintergrund sieht mensch die per Skype zugeschalteten Nigeriannerinnen.

Zu Eco-journalism: a new approach to Nigerian news? kann ich leider nicht so viel erzählen. Sehr toll war die Idee, die nigerianischen Journalist_innen/ Blogger_innen per Skype zuzuschalten, doch die Technik funktionierte nur so halb, die Akkustik war eher mau (vorallem, da es auf Stage 6 stattfand, wo mensch auch immer Stage 7 mithören musste). Aber gerade Mery Abang und Azeenarh Mohammed, zu denen die Verbindung klappte, scheinen unglaublich interessante Frauen zu sein.

Dann ein kleiner Europa-Exkurs mit zwei Hack the Union Sessions. Zu erst zeigte Stefan Marsiske welche Tools es gibt, die ein Engagement in Europa zu erleichtern und welche Möglichkeiten es für Hacker gibt sich zu engagieren. Danach erklärte Markus Winkler, wie eine europäische Bürgerinitiative, die seit April 2012 erst möglich ist, initiert und durchgeführt werden kann. Der zweitere gehörte für mich zu den eher schwächeren Vorträgen, die ich gehört habe.

Die Künstlerin Heba Amin steht auf der Bühne. Hinter ihr wird ein Bild projeziert, auf diesem sieht mensch ein durchgestrichenes Twitterlogo und den Text "the revolution will not be twittered". Das ganze ist Streetart.

Diesen Tag beendete ich mich Heba Amins toller Präsentation Voices from the Revolution: A Speak2Tweet film. Kunst, Technik, Politik – hier gab es alles, nur leider sahen das gerade einmal knapp 30 Menschen.

Tag 3

Der letzte Tag brach an und ich war schon ganz schön erschöpft vom ganzen Zuhören und diesen Menschenmassen. Drum speckte ich meinen Plan ab und beschloss mir nur noch zwei Sessions anzugucken.

Blogging in Ethiopia war mein Einstieg und ist wahrscheinlich das Beste, was ich auf der re:publica gehört habe. Markos Lemma gab einen faszinierenden Einblick in die Social Media Welt Äthiopiens und stellte eine Reihe von Blogger_innen vor. Das ganze ist mir auch noch einen extra Blogeintrag in den nächsten Tage wert.

Zum Ende dann noch ein wenig aktivistischen Input von Helga Hansen bei How to make your activist space a safe space. In kleiner, aber dafür um so netterer Runde sprachen wir über Möglichkeiten (Moderation, Ernst nehmen, für Barrierefreiheit sorgen, Kinderbetreuung bei Veranstaltungen etc.). Auch wurde diskutiert, ob ein vollkommener safe space, also ein Raum, in dem sich jede_r frei bewegen kann und nicht diskriminiert wird jemals entscheiden kann. Dabei lernte ich den schönen Begriff caring space (sorgender Raum): Denn auch wenn Sicherheit auch nicht immer gewährt werden kann, geht es doch in erster Linie darum, dass in diesen Räumen Diskriminierungen und Ängste ernst und zum Anlass von Handlungen genommen werden.

Und nun nochmal zurück zum Anfang. Und den Menschen. Denn zwischen all diesen Sessions habe ich viele tolle Menschen getroffen, die ich bisher nur online kannte, und einige, die ich aus ganz anderen Zusammenhänge kannte, habe ich zufällig mal wieder gesehen. Hier nun all die Menschen nach Twitternamen sortiert, sie bereichern nämlich sicher jede Twitter-Timeline: @Autofocus @Disc_Anarchy @girlscanblog @hanhaiwen (die dankenswerterweise mit tollen Aufklebern für’s Verschönern der Namensschilder aufwartete (siehe oberstes Bild)) @hie_suk @ihdl @kotzend_einhorn @lleBerlin @NiniaLaGrande @Pluralog @philipsteffan @yetzt.

2 Kommentare zu “re:capitulation der re:publica 2012

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