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SoSe2010 „Stirbt der Staat in Afrika“: Im Seminar „Stirbt der Staat in Afrika“ beschäfftigten wir uns vor zwei Wochen mit der Frage: Nach welchen Kriterien könnte man Staaten kategorisieren? Hier folgt nun meine Zusammenfassung. Da wir im Kurs überwiegend Gedanken gesammelt haben, ist auch dies hier natürlich nur bruchstückhaft, aber gibt vielleicht eine Idee, was für Möglichkeiten und Probleme es hinsichtlich einer Kategorisierung afrikanischer Staaten gibt.

Konventionelle Versuche

Zuerst versuchten wir die konventionellen Unterscheidungsformen herauszuarbeiten und verschiedene afrikanische Länder beispielhaft ein zuordnen. Dabei betrachten wir die politischen Strukturen, Formen der Transition und Ideologien.

1. Politische Strukturen

  • Militärdiktatur
    • Idi Amin – Uganda
    • Mobutu – Zaire
    • Muammar al-Gaddafi – Libyen
  • Monarchie
    • Lesotho (parlamentarische Monarchie)
    • Swasiland (absolute Monarchie)
    • Marokko (konstitutionelle Monarchie)
  • Einparteienstaaten
    • Tansania (eigentlich Präsidialrepublik)
  • Demokratien
    • Südafrika (Post-Apartheit; Präsidialrepublik mit föderativen Elementen)
    • Botswana (Parlamentarische Demokratie)
    • Ghana (Post-Rawling, Parlamentarische Demokratie)
    • Angola (Präsidialrepublik)

Probleme: Definitionen? Mischformen?

2. Formen der Transition

  • Demokratische Wahl
    • Südafrika
  • Putsch
    • Uganda
    • Sudan
    • Nigeria
  • Erbe
    • Marokko
  • Revolution
  • [Post-Konflikt]

Anmerkung:

Auch bei Militärdiktaturen ist ein Großteil der Macht zivil, resultiert aber aus einem Militärputsch.

Anzeichen für Demokratie: Wenn durch demokratische Wahlen Machtwechsel stattgefunden haben (Regierung > Opposition > Regierung)

3. Ideologie

Wie kategorisieren? Ostblock/Westblock-Problematik… Diverser?

Erkenntnisse

Nach diesen Konzepten fällt es schwer afrikanische Staaten zu kategorisieren. Viele der Konzepte und Trennlinien sind sehr eurozentrisch und darum kaum anwendbar.

Neue Ansätze

Nachdem wir festgestellt haben, dass die meisten konventionellen Ansätze nicht greifen, haben wir überlegt, wie man trotzdem zu einer Kategorisierung kommen kann (oder ob es auch heißen könnte, dass es in Afrika keine Staaten gibt). Letzteres haben wir ausgeschlossen und nochmals auf eurozentrische Betrachtungen verwiesen. Anmerkung: In den afrikanischen Eliten gibt es durchaus ein europäisches Verständnis von Staat (Territorium und dazugehörige Bevölkerung) Wir haben dann beschlossen, dass man sich die Strukturen der Staaten genauer und unter anderen Aspekten betrachten sollte. Hier einige Ansätze:

1. Reichweite des Staates

Reichtweite des Staates

2. Zivilgesellschaften

  • Wichtige Thesen von Comaroff und Bayart
  • Definition von Bayart: „…society in its relation with the state … in so far as it is in confrontation with the state, or, more precisely, as the process by which society seeks to breach and counteract the simultaneous totalisation unleashed by the state.“
  • Frage: was bedeutet der Begriff in Afrika? Was zählt man zu Zivilgesellschaft?

3. Interdependenz (nach Außen)

  • Wichtiger Aspekt für Staatlichkeit, da wesentlicher Punkt für Souveränität
  • Spektrum von „abhängig“ bis „autonom“

3 Kommentare zu “Nach welchen Kriterien könnte man Staaten kategorisieren?

  1. Interessante Kategorien und tolle Übersicht!

    Ich glaube, dass ich wohl erst mal versucht hätte, nach konventionellen Methoden einzuteilen, wahrscheinlich, weil ich mir unter politischen Strukturen mehr vorstellen kann als darunter, was z.B. alles zur Zivilgesellschaft zählt (da fängt ja auch schon die Schwierigkeit mit Definitionen an). Ich nehme auch an, dass die Herausbildung von Zivilgesellschaften sehr davon abhängig ist, in welchen politischen Strukturen man sich befindet. Gibt es da schon Unterkategerien – also welche Staaten haben eine besonders ausgeprägte Zivilgesellschaft?

    Noch eine Frage zur Reichweite des Staates (Punkt 1 unter „Neue Ansätze“) – darunter kann ich mir gerade gar nichts vorstellen, auch nicht mit den Beispielen Südafrika und Somalia. Kannst du noch ein paar Worte dazu sagen?

    Danke!

    • Hi,

      vielen Dank für Deinen Kommentar! Ja, die konventionellen Methoden liegen natürlich erstmal nahe, denn das sind die Muster, in denen wir auch eher gewohnt sind zu denken und zu analysieren. Als wir dann an die Grenzen dieser Systematiken gestoßen sind, haben wir erstmal weitergehende Gedanken gesammelt, diese sind, wie man sieht, noch seeeeehr bruchstückhaft.

      > Zivilgesellschaft
      Soweit ich das überblicken kann, ist einer der Hauptdiskussionspunkte rund um das Thema „Zivilgesellschaft in Afrika“ genau die Frage nach „Was kann man darunter eigentlich in Afrika verstehen?“ gekoppelt an die Frage „Gibt es sowas überhaupt?“. Oftmals wurde festgestellt, dass „klassische“ (also westliche 😉 ) Organisationsformen von Zivilgesellschaft (beispielsweise Gewerkschaften) nicht so funktionieren, wie man das aus vielen westlichen Ländern kennt. Darüberhinaus gibt es natürlich eine große NGO-Landschaft, lokaler wie auch internationaler NGOs. Viele dieser NGOs sind abhängig von Geldern aus dem Ausland. Dies wirft die Frage auf, wie unabhängig können sie agieren, wessen Interessen werden in letzter Instanz vertreten. Zu guter letzt bleibt die Frage nach „anderen“ Formen von Zivilgesellschaft, lokal spezifische Formen. Ich persönlich finde das von der Definition her alles ziemlich kompliziert und vor allem gefährlich nah am schwammig werden. Meine Gedanken hier beantworten natürlich in keinster Art und Weise Deine Frage, sondern illustrieren eher meine eigene Ratlosigkeit 😀 Ich verspreche aber hoch und heilig, sobald ich nochmal mich mehr in die spezifische Thematik eingelesen habe, nochmal einen ganzen Beitrag zur Zivilgesellschaft zu schreiben.

      > Reichweite des Staates
      Mit Reichweite des Staates ist gemeint, inwiefern der Staat wirklich Kontrolle über verschiedene Lebensbereiche hat. Ein Kriterium könnte hier sein, ob und wie Regeln gemacht werden. Ein weiteres Kriterium wäre dann, bis in welche Bereiche es Regeln gibt und auch wie diese durchgesetzt werden. Es geht also um die Reichweite des Staates nach Innen. Überspitzt gesagt: Wieviel Staat kommt beim Bürger an?
      Das eine Extrem wäre hier Somalia in den 1990ern, als dieses in verschiedene Machtbereiche zerfiel und der Staat nach Innen als solcher inexistent war. Am anderen Ende der Skala finden wir Südafrika der Apartheidszeit, wo der Staat vorschrieb (und dies auch relativ konsequent durchsetzte), wo man zu wohnen hatte und welche öffentliche Toilette zu nutzten sei.

      Ich hoffe wenigstens mit dem zweiten Teil konnte och ein paar Dinge klären 🙂 Falls nicht, versuche ich es gern mit noch einem Anlauf, einfach Fragen stellen 😉

  2. Oh, vielen Dank! Das war auf jeden Fall erhellend.

    Die Frage zur Zivilgesellschaft ist ja auch in westlichen Gesellschaften wohl noch nicht richtig geklärt. Da helfen wahrscheinlich nur Theorien, die im eigenen Land entwickelt wurden und nicht von außen aufgedruckt wurden. (Als nicht perfekte Analogie: Zivilgesellschaft konstituierte sich ja schon in Ostdeutschland ganz anders aus bspw. in Westdeutschland).

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