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Das die Situation von Menschen, die versuchen in Deutschland Asyl zu erlangen, furchtbar ist, ist nichts neues. Innerhalb des letzten Jahres weisen auch immer mehr Proteste von Flüchtenden auf Missstände hin. (Und Mainstream-Medien und Politik bauen natürlich trotzdem weiter an rassistisch motivierten Angstszenarien.)

Asyl – so wird es oftmals suggeriert – ist Mildtätigkeit. Jede winzige Verbesserung der Lebensumstände von Flüchtenden wird als unendliche Freundlichkeit inszeniert (oder eben abgeschmettert, weil es nicht möglich sei solche Nettigkeiten zu gewähren).

In dieses Bild passt dann auch sehr gut, der oben im Tweet vom ISD Bund verlinkte Artikel „Flüchtlinge helfen am Bahngleis“ der Gmünder Tagespost. Am Bahnhof in Schwäbisch Gmünd gibt es einen provisorischen Übergang, dieser macht es für viele Menschen beschwerlich von einem Gleis zum anderen zu kommen. (Es geht auch um Barrierefreiheit – einer der Gründe zur Sanierung des Bahnhofs – aber das bleibt dann auch wieder nur eine Fußnote.) Nun wurde Abhilfe geschaffen! Neun asylsuchende Männer stehen (in bester (neo)kolonialer Inszenierung inklusive Strohhüten) am Bahnhof bereit um Koffer zu tragen. In dem Artikel heißt es:

Die Flüchtlinge kommen aus Nigeria, Kamerun, Pakistan und Afghanistan. Sie stehen den Fahrgästen wochentags von 6.15 Uhr bis 18.30 Uhr zur Verfügung, am Wochenende von 9 bis 11 Uhr und von 17 bis 19 Uhr. Ausgestattet sind sie mit rot-weißen „Service“-T-Shirts, Namensschildern und einem Strohhut gegen die Sonne. Die Arbeiter konnten sich freiwillig melden und verdienen 1,05 Euro pro Stunde. Das ist der gesetzliche Maximallohn für Asylbewerber.

Mehr könne die Stadt/ die Bahn leider nicht zahlen, da es nun einmal Gesetze gibt, wird dann noch bei Spiegel Online ergänzt, wo die Geschichte gestern auch aufgenommen wurde. Angehangen ein kleiner Appell, dass es da Veränderungsbedarf gibt. Aber letzten Endes sind sich alle einig: Ein tolles Projekt. Integration. Da lernen die Menschen (aka nicht Asylsuchende) mal die Flüchtenden kennen und bauen Ängste ab. Als wären die Flüchtenden das Hauptproblem und nicht etwa rassistische Strukturen und Vorurteile, die keineswegs abgebaut werden durch ein Projekt, welches vor allem beweisen will, dass Flüchtende auch nützlich ™ sind. Verwertungslogik wie sie oftmals vorherrscht im Asyl-Diskurs.

Und die Fahrgäste können und sollen natürlich auch Trinkgeld bezahlen. Beim Spiegel wird ein Sprecher zitiert, der die Schwaben für ihr großzügiges Trinkgeld lobt (Mildtätigkeit once again!) und ergänzt zugleich, dass es  schließlich was bringe (Verwertungslogik!). Bei der Gmünder Tagespost wird noch angehangen, dass aber auch die Flüchtenden in die Pflicht genommen werden. Was das genau heißen soll? Wahrscheinlich, dass sie eben funktionieren müssen.

Dass das Projekt auch von Asylsuchenden angenommen wird, hat wenig mit der Exzellenz der Inititiave zu tun (ganz wohlmeinend weist SPON auch extra darauf hin, dass es eine Möglichkeit gebe für die Flüchtenden sich unterzustellen, Getränke zu erhalten und auf die Toilette zu gehen!), sondern damit, dass es sonst fast gar keine Möglichkeiten gibt.

Edit: Die Bahn gibt sich nun überings überrascht (sie hätte ja nichts von den genauen Umständen gewusst), möchte das Projekt beenden und Bahnangestellte dort einsetzen. Für die Asylsuchenden, die gern Arbeit nachgehen wollten, wird natürlich leider keine befriedigende Lösung gefunden.

12 Kommentare zu “Kofferträger.

  1. Unfassbar, unfassbar… Es sind kolonialistische Zustände!
    Allerdings verstehe ich den Spiegel-Artikel nicht so, als fände er das „Projekt“ richtig… Nicht, dass er klar Stellung bezöge dagegen (was sehr wünschenswert wäre), aber ich verstehe den Hinweis auf die Hütte zum Unterstellen etc. nicht als befürwortend…

    • Ja, ich find das schwierig zu lesen beim Spiegel, da es ja keine klare Positionierung gibt. Und keine klare Positionierung ist dann auch schon wieder eine Positionierung…

  2. Es ist eine sehr klare und eindeutige Positionierung: man zeigt, was ist, und das, was ist, ein kleineres Übel als jenes sei, aus dem Asylbewerber weggegangen sind, zum einen. Und dann zeigt man, dass die Kaste der Kofferträger rekrutiert werden können, auf primitivst-Entlöhnungsniveau, und man zeigt auch, daß anderes nicht möglich ist, da jeder sonstige Sozialhilfeempfänger dieser Kaste… und man möchte keine Krawalle innerhalb dieser Kaste evozieren, nicht wahr?
    All sowas zeigt man, vermutlich hat man nix anderes zu zeigen.

    • Ja so meinte ich das auch. Also, das was häufig als „keine klare Positionierung“ gelesen wird, ein nicht klares Angreifen des *istischen Normalzustands, eine Unterstützung eben dieses ist.

      (Ich würde jetzt nur nicht unbedingt von „Kasten“ sprechen.)

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  6. einfach unglaublich. kann gar nicht sagen auf wieviele unterschiedliche Arten, da diskriminiert wird. bin echt geschockt.

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