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Einen meiner ersten Blogeinträge zu Kritik  an rassistischer Sprache in deutschen Medien schrieb ich im Jahr 2010. Anlass war Deniz Yücels WM-Kolumne „Vuvuzela“, wo unter dem – immer so passenden – Deckmantel der Satire ™ Rassismus re_produziert wurde als gäbe es kein morgen mehr. Ein großes Thema „damals“: Die wiederholte, ausgeschriebene Verwendung von N.

Eben dieser Deniz Yücel hat am Wochenende nun eine tazlab-Diskussion zu diskriminierender Sprache moderiert. Der Titel („Meine Damen und Herren, liebe N.-Wörter und Innen“) war überings angelehnt an eben jene Kolumne aus dem Jahr 2010. Diskursiv war die Richtung also vorgegeben. Eine Beschreibung von dem, was dann geschah, findet sich von Sula bei der Mädchenmannschaft. Eine Kurzzusammenfassung gibt die Überschrift: „14jähriger schlägt vor: “Sag doch einfach ‘N-Wort’”, Deniz Yücel flippt aus: Impressionen vom tazlab“.

Yücel hat gestern Abend sich dann wieder in seine Kolumne hinein übergeben. Anders kann mensch diesen Schwall an Wiederlichkeiten kaum beschreiben. accalmie hat sich die Mühe gemacht, darauf zu reagieren und so vieles richtig zu stellen. (Mal wieder ein kostenloses Bildungsangebot an Yücel et.al.). Ein wichtiges Mantra, was alle häufiger wiederholen sollten: „Antirassist_in zu sein ist kein Zustand – es ist ein Prozess.“

Ich möchte nun nur noch auf einen Aspekt von Yücels Text eingehen. Und dazu zitiere ich ihn dieses eine Mal:

Demnach ist alle Geschichte Kolonialgeschichte, egal ob in den USA, Großbritannien oder Deutschland. Und darin sind Täter und Opfer, Gut und Böse sauber verteilt. Dass das Leben in den betreffenden Ländern vor der Kolonialisierung, nun ja, auch kein Zuckerschlecken war, spielt keine Rolle; ebenso wenig der Umstand, dass durch den Kolonialismus die Menschen in der Dritten Welt auch ein philosophisch-politisches Instrumentarium in die Hände bekamen, das sie gegen die Kolonialherren wenden konnten.

Yücel erklärt da also mal eben schnell, wie das wirklich war mit diesem Kolonialismus. Seine Argumentation (darf mensch das Wort hier eigentlich verwenden?) konstruiert natürlich ein fiktives Gegenüber, welches romantisierende Vorstellungen von präkolonialen Gebieten verbreitet und ständig (ständig!) Kolonialgeschichte heranzieht.

Nun glaube ich, dass gerade in Deutschland Aufarbeitung von Kolonialgeschichte im Mainstream so eher gar nicht voran getrieben wird. Auseinandersetzung mit Kolonialismus findet selten statt. Und die Menschen, die sich damit auseinandersetzen, fallen eher selten in die Falle von romantisierenden Vorstellungen. Ich habe zu mindestens aus den letzten 40 Jahren eigentlich keinen Text gelesen, wo stand „Vor dem Kolonialismus war alles super!“. Aber ganz ehrlich, selbst wenn…

Yücel schreibt, dass das Leben in den betroffenen Ländern zuvor auch kein „Zuckerschlecken“ war und impliziert gleich mit, dass im Kolonialismus ja auch nicht alles schlecht gewesen ist. Und das führt er gleich im Anschluss auch noch aus. Dank des Kolonialismus hätten die Menschen in den kolonisierten Ländern ja erst das geistige Werkzeug zum Widerstand gegen des Kolonialismus bekommen. Allein diesen Satz zu schreiben_lesen sollte doch die Absurdheit deutlich machen.

Das „Dritte Welt“ ebenso ein rassistischer Begriff ist. Geschenkt. Aber was will Yücel sonst noch mit dieser Aussage? Dankesschreiben ehemals kolonisierter Länder? Und welches Bild perpetuiert Yücel hier weiter? Ganz klar, das der nicht-gebildeten Menschen kolonisierter Länder. Bildung ist hier natürlich auch einzig das Wissen und Werkzeug Europas. Das Bild ist an sich so unglaublich kolonial-rassistisch. Gebe es wirklich diese allumfassende Auseinandersetzung mit Kolonialismus, wie sie Yücel ja inszeniert, wäre so eine Aussage nicht möglich. Ganz einfach.

Die taz zeigt wieder einmal. Rassismus als Aufmerksamkeitsstrategie. Redefreiheit! Pressefreiheit! Das ist Linkssein im 21. Jahrhundert. In kuscheligen überwiegend weißen Typengruppen. Alles geht.

4 Kommentare zu “Immer wieder Yücel. N.-Worte und Kolonialismusverherrlichung.

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