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Das mehrheitlich weiße bildungsbürgerliche Feuilleton tobt zur Zeit (unter anderem in der ZEIT) und spielt sich auf als Retter der Literatur ™ – selbst wenn das heißt, rassistische Begriffe in Kinderbüchern bis aufs Äußerste zu verteidigen und in der Debatte diese Begriffe immer wieder zu re_produzieren. Kristin hingegen sucht in Kinderbüchern nach mehr von jener Welt, wie auch ihre eigene Tochter sie kennt. Wie schwierig das ist, berichtete sie bereits einmal bei der Mädchenmannschaft. In ihrem aktuellen Text, der zu erst auf ihrem Tumblr „Das verflixte 7. Jahr“ erschien, schreibt sie zu ihrem Umgang mit der aktuellen Situation.

Ich bin müde. Ich bin müde und fühle mich ausgesaugt. Jegliche vorzubringende Argumente wurden aus mir raus gesaugt, obwohl ich sie in den meisten Fällen nicht mal selbst aufgeschrieben und ausgeschrien habe. Zurück bleibt ein dicker Klumpen in einem leeren Raum. Viel Wut ist in dem Klumpen, Angst auch… Seit Tagen will ich Dinge sagen und kriege nichts raus. Es wurde doch alles gesagt, denke ich. Warum kommt es nicht an? Dann fällt mir ein: weiße Menschen halten weiße Räume weiß, weinen weiße Tränen, weil sie ihre Deutungshoheit, ihre Macht nicht abgeben wollen. Macht die sie zu lange hatten, die sie nie hätten haben dürfen. Das ist Gewalt, schreibe ich in einem unveröffentlichten Rant. Das ist Krieg, schreibt eine Freundin mir und anderen in einer privaten Unterhaltung… Man(n) solle sich mit wichtigeren Dingen beschäftigen, das Wort gehört der Vergangenheit, die muss man(n) bewahren, man(n) solle eben mit den Kindern reden, darüber wie es früher war. Ich weiß nicht ob ich lachen oder weinen soll. Ich versuch es noch mal mit schreiben:

“…weil sie denken, alle Menschen in Deutschland sind weiß” so beendet meine Tochter gestern meinen Satz, von dem ich gar nicht mehr genau weiß wie er anfing. Wir reden. Über die Kinderbücher und darüber warum manche Menschen an diesem einem Wort festhalten wollen. Meine Tochter ist 7. Sie hat’s verstanden.

Das Wort mit N kannte sie bis vor einer Woche nicht. Vielleicht hatten wir bis dahin einfach Glück. Als ich aber erfuhr wie das Titelbild der Zeit aussehen würde, habe ich mich Abends noch mit ihr hingesetzt. Ich habe es nur ein einziges Mal gesagt und es blieb mir fast im Halse stecken. Ich habe seit Monaten darüber nachgedacht. Seit eine andere Mutter erzählte, dass ihr Sohn beleidigt wurde. Auf dem Schulhof. Von einem anderen Kind. Im hier und jetzt. Ich wollte noch mehr Zeit haben. Ich wollte nicht, dass es so läuft. Aber jetzt musste ich. Ich wollte nicht, dass sie es von jemand anderes hört oder liest. Also haben wir geredet und am nächsten Morgen habe ich gebetet, dass sie an keiner Ausgabe der Zeit vorbeikommt…

Ein paar Tage später stand sie vor mir und sagte: “Mama, dieses Wort mit N was du mir in dem Buch gezeigt hast, hab ich schon wieder vergessen!” sie zuckte mit den Achseln. Ich atmete kurz auf. Noch ist sie gelassen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mit ihr über Rassismus spreche. Sie weiß, dass es weiße Menschen gibt, die glauben sie sind Schwarzen Menschen überlegen. Sie muss das wissen. Sie ist Schwarz. Ihre besten Freund_innen sind Schwarz. Alle lesen sie Bücher oder bekommen sie vorgelesen. Alle leben Sie hier in Deutschland. Sie weiß, dass die alten weißen Menschen Quatsch erzählen. “Mama, irgendwie sind Schwarze Menschen viel cooler als weiße” Nur die alten weißen Menschen wissen es noch nicht. Sie führen lieber Krieg. In der Vergangenheit. Gegen Kinder. Gegen die Zukunft.

Links zu mehr sehr lesenswerten Texten finden sich bei Noah Sows Beitrag beim braunen Mob. Ergänzend noch: Ishema Kanes Leser_innenbrief an die ZEIT.

2 Kommentare zu “Mit den Kindern reden

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