Home

Ich freue mich unglaublich hier heute eine Übersetzung eines Textes, den die tolle Minna Salami verfasst hat, veröffentlichen zu können. Minna schreibt als MsAfropolitan über Afrika, Feminismus, race, Popkultur und Mode. In dem folgenden Text beschreibt sie für Einsteiger_innen wichtige Gedanken aus afrikanischen Feminsmen. Den Orginaltext findet ihr unter „7 key issues in African feminist thought„.Dabei soll dieser Text vor allem ein Ausgangspunkt sein um sich weiter zu informieren. Zu allen Punkten, die sie aufführt, gibt es natürlich mindestens zehn afrikanische Feminist_innen, die vehement widersprechen würden, oder die überhaupt über andere Themen sprechen würden. – Alles andere wäre ja auch bei einem Kontinent mit vielen unterschiedlichen Ländern, Politiken, Geschichten, Kulturen etc. nur verwunderlich. Fragen aber wie „Wie kann ich Traditionen angreifen ohne auf koloniale Argumentationen beschränkt zu werden?“, „Ist ein Zusammenarbeiten mit Feminist_innen anderer Kontinente möglich? Vor allem auch westlicher?“ und „Warum spielt Ökonomie eine große Rolle?“ tauchen immer wieder auf.

Minna hat der Übersetzung und Veröffentlichung des Textes auf deutsch an dieser Stelle zugestimmt. Vielen Dank an dieser Stelle!

Als erstes: Es ist wichtig, klarzustellen, dass wenn man die Theorien betrachtet, es richtiger ist von afrikanischen Feminismen zu sprechen und nicht etwa von einem allmächtigen afrikanischen Feminismus. Nicht alle afrikanischen Feministinnen stimmen miteinander überein. Glücklicherweise! – Denn ansonsten würden tiefe Reflektionen zu Themen wie denen, die unten aufgelistet sind, verhindert werden. Dennoch ist eine Priorität, Differenzen zu respektieren und gleichzeitig Gemeinsamkeiten anzuerkennen. Wie ich bereits in meinem vorherigen Blogpost erwähnt habe, bezeichnen sich viele Frauen als afrikanische Feminstinnen und Schwarze Feministinnen. (Das ist im Besonderen auffällig in Bibliographien zu afrikanischem und Schwarzem feministischen Schreiben.) Afrikanisches feministisches Denken, aber, hat ein zusätzliches Interesse an der Analyse afrikanischer Kontexte.

Ich sollte noch klarstellen, was ich mit afrikanischen Feministinnen in diesem Text meine: Wie fast überall bezieht sich der Begriff auf Feministinnen afrikanischer Herkunft in Afrika und in der Diaspora. Mit der Bezeichnung „afrikanische Frauen“ meine ich Frauen afrikanischer Herkunft, welche rural und urban sind, allen sozialen Klassen angehören, in Afrika leben oder an irgendeinem anderen Ort auf der Welt. Schließlich gilt: Die Meinung in diesem Text sind meine und es ist meine Wahl sieben Themen hervorzuheben. Das heißt natürlich nicht, dass ich nicht auch noch andere wichtige Themenkomplexe gibt, oder dass diese sieben abschließend in diesem Post abgedeckt sind.

O-kay, dann gleich mal loslegen mit dem „Big, Bad Guy“.

Patriarchat
Afrika unterscheidet sich nicht von anderne Kontinente dieser Welt, wo es vollkommen egal ist, welchen autonomen Raum die Gesellschaft Individuen zugesteht – es ist immer weniger, wenn eine Person weiblich ist. Unglücklicherweise kennen wir keine Zeit der modernen Geschichte, wo Frauen einer bestimmten Gruppe (race/Ethnie/Klasse) nicht im Vergleich zu Männern der gleichen Gruppe benachteiligt waren. Wir kennen aber Zeiten (inklusive der jetzigen), wo Frauen einer bestimmten race, Ethnie und/oder Klasse soziale Vorteile gegenüber Männer anderer race, Ethnien oder Klassen haben kann. Afrikanische Feministinnen betrachten, wie das Patriarchat – ein psychologisches und politisches System, welches das Männliche höher als das Weibliche bewertet – Recht, Tradition, Macht, Bräuche, Bildung, Sprache, Arbeit u.s.w. nutzt, dass Frauen weiterhin im öffentlichen und privaten Leben von Männern beherrscht werden. Afrikanischer Feminismus glaubt, dass afrikanische Männer und Frauen gegenseitig nutzbringende, transformative und progressive Beziehungen in der privaten sowie öffentlichen Sphäre haben könnten, wenn diese Beziehungen nicht-patriarchal und egalitär wären. Dennoch übernehmen afrikanische Feministinnen Verantwortung dafür nach so einer gleichberechtigten Gesellschaft zu streben, anstatt zu hoffen, dass Männer irgendwann einfach so ihre Privilegien und Macht abtreten um eine bessere, harmonischere Perspektive für folgende Generationen zu schaffen.

Race
Afrikanische feministische Überlegungen beschäftigen sich nicht ausschließlich mit einem „Männer-Frauen“-Ungleichgewicht, da dies andere Faktoren, die das Leben afrikanischer Frauen beeinflussen, auslassen würde. Einer dieser Faktoren wäre Hierarchien aufgrund von race und die sozio-politischen Auswirkungen, die damit einhergehen. Tatsächlich sind afrikanische Feministinnen gewöhnlich sehr erfahren darin, wie rassistische Poltiken solche Praxen in einigen Teilen des historischen Afrikas untergraben hat, die komplementäre Elemente hatten und einen Geist gegenseitiger Intimität förderten. Afrikanisches feministisches Schreiben zielt darauf Rollen und Zustände auseinanderzunehmen („undo“), die AfrikanerInnen abhängig von ihren KolonisatorInnen machten. Das Schreiben versucht auch die Last einer Geschichte des Imperialismus zu „ent_schreiben“ („unwrite“), welche sich durch Jahrhunderte spannt und versucht ebenfalls eine neue Sprache bereitzustellen, mit welcher afrikanische Frauen und Männer von dem racialized trauma fortkommen können, welches bis heute Frauen und Männer beeinflust, wenn auch auf verschiedene Weisen.

Traditionen
Es ist ziemlich unbeliebt afrikanische Traditionen zu kritisieren, oder darauf aufmerksam zu machen, dass afrikanische Geschichte von männlicher Dominanz geprägt ist, gegen welche sich afrikanische Frauen immer auch gewährt haben. Egal ob es um Haushälte, Ehebräuche, Poduktionsmethoden oder sexuelle Freiheiten geht, afrikanische patriarchale Traditionen machen zu meist eine Unterscheidung zwischen Männern und Frauen, bei der Frauen benachteiligt werden. Afrikanische Frauen wurden zu lange zum Schweigen gebracht, wenn es um Verbrechen des traditionellen Patriarchts wie die missbrauchende und entmenschlichendende Institution der patriarchalen Polygamie, Witwenmissbrauch, Genitalverstümmelung, Hexenjagd und der Mangel an Zugriff auf Besitz und Macht in traditionellen Gesellschaften geht. Doch trotzdem streben afrikanische Feministinnen nicht die Abschaffung von allen Traditionen an, da Traditionen auch wichtige kulturelle Erinnerungen  und ein reiches Erbe an Wissen und Spiritualität beinhalten. Viel eher ist das Ziel den Traditionen zu ermöglichen sich den aktuellen Zeiten anzupassen und anstatt eine Gesellschaft zum Stagnieren zu zwingen, sie zu bereichern, so wie es Bräuche und Kultur tun sollte. Schaut euch Sisonke Msimang an, eine bekannte afrikanische Feministin, die hier beschreibt, wie sie lobola (Brautpreis) in ihre Hochzeitszeremonie auf eine vollkommen feministische Art eingebaut hat! Das ist ein tolles Beispiel dafür, wie kultureller Stolz und gleichzeitig eine Verpflichtung für Weiterentwicklung und Harmonie bewahrt werden kann.

Unterentwicklung
Afrika, nach statistischen Maßzahlen, ist der ärmste Kontinent, wenn auf den Zugang von Menschen zu grundlegenden Gütern geachtet wird. Afrikanisches feministisches Denken erkennt an, dass Armut in Afrika und Reichtum im Westen strukturell verbunden ist. Das weitergehende Unrecht des Westens gegen Afrika durch Militärinventionen, Rescourcen-Ausbeutung, NGO-Propaganda, nicht zu rechtfertigende Schulden- und Handels-Praxen und andere neo/koloniale Praxen der Hungerindustrie hat verheerende Auswirkungen auf die Fähigkeit afrikanischer Staaten mit Faktoren wie HIV/Aids, reproduktive Gesundheit von Frauen und dem Ausbau von Infrastruktur umzugehen. Am schlimmsten vielleicht ist, dass all die Unterentwicklung Afrikas die Entwicklung eines Bewusstseins durch ein passendens Bildungssystem verhindert hat. Als ein Ergebnis waren afrikanische Gesellschaften nicht fähig dazu, sich logischerweise in einer Art und Weise weiterzuentwickeln, dass Rechtssystem, Landwirtschaft, Intra-Kontinentaler-Handel, einheimische Gesundheitssysteme und philospohische Ansichten den Bedürfnissen der BürgerInnen anpassen. Zusätzlich befeuert gerade dieser Mangel an Weiterentwicklung des Bewusstseins ungeprüfte Vorwürfe, dass das Streben nach Geschlechtergleichberechtigung un-afrikanisch und Homosexualität sündhaft seit. Weiterhin betrifft Armut Frauen mehr als Männer in den Entwicklungsländern, denn wie Thomas Sankara sagte, sind „… Frauen abhängig von den Abhängigen“. Afrikanischer Feminismus versucht aufzuklären, dass afrikanische Länder, um sich zu entwickeln, soziale Institutionen brauchen, die sich fremder Hegemonie über afrikanische Völker wiedersetzen. Außerdem müssten sie engagiertes Denken fördern und eine ArbeiterInnenschaft haben, die alle Teile der Bevölkerung auf gleicher Basis einschließt.

Sexualität
Um das offensichtliche zu benennen: Leben sind Frauen und Homophobie und die Verfolgung queerer afrikanischer Frauen durch afrikanische Staaten ist ein zentrales Thema in afrikanischem feministischen Denken. Die Frage nach weiblicher Sexualität und allen ihren Manifestationen, sowie die Kontrolle und Unterdrückung dieser, ist tatsächlich ein sehr wichtiges Thema für afrikanische Feministinnen. Wie fordern wir einen Staat heraus, der uns eine sehr rigide heterosexistische Idee als Norm aufdrückt? Wie trennen wir sexuelle Dominanz von sexuellem Vergnügen? Wie sollen Frauenkörper die Wunder der Geschichte (er)tragen, und die von ausländischen/fremden Eingriffen und anhaltenden nationalen Kämpfen? Wie sprechen wir die psychologischen und physischen Leiden an, die Frauen nach Missbrauch aushalten müssen? Afrikanisches Feminismus-zentriertes Denken und Aktivismus zielt darauf ab Haltungen zu hinterfragen und aufzudecken, die nicht das fundamentale Menschenrecht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper unterstützen.

Globaler Feminismus
Damit Feminismus einen weitreichenden Einfluss hat, müssen afrikanische Feministinnen, wie alle anderen, die in der Frauenbewegung aktiv sind, miteinander arbeiten – gerade da wir alle von einander abhängig sind und die Welt immer weiter verbunden wird. Im 20. Jahrhundert waren afrikanische Feministinnen gorßteils damit beschäftigt gegen die Arroganz und den Imperialismus vorzugehen, der durch weißen westlichen Feminismus in die Erzählung (narrative) afrikanischer Frauen importiert wurde. In den letzten Jahrzehnten aber änderte siche der Fokus darauf, herauszufinden, weöche Möglichkeiten es gibt zusammenzuarbeiten trotz Differenzen und vor allem die Verbindungen zu feministischen Kämpfen in Lateinamerika und Asien zu stärken. Dieses Muster ist in verschiedener Ausprägung sicher Zeitgeist aller globaler Feminismen, auch wenn Theorie und Praxis da nicht immer zusammen gehen. Afrikanische Feministinnen sollten ihre Wut gegenüber den negativen Bildern, die viele weiße Feministinnen perpetuieren, dämpfen (nicht unterlassen) und sollten sich auf die vielen einfallsreichen Arbeiten konzentrieren, die weiße Feministinnen produziert haben. Weiße Feministinnen sollten sich ihrer priviligierten Position absolut bewusstsein und sollten diese hinterfragen. Nur wenn das passiert, können wir gemeinsam die Kraft im Herzen von Weiblichkeit (womenhood) verstärken.

Liebe
Liebe ist etwas, was alle Menschen in ihrem Leben begehren, und doch ist es eine untersschätze Emotion in der Weltanschauung, welche viele der modernen Ideen gestaltet. Beispielsweise Kunst in allen ihren Formen zu nutzen um Theorie mit Leidenschaft und Emotionen zu füllen, ist für viele afrikanische Feministinnen ein radikaler transformierender Akt. Kunst ist ein Bereich wo afrikanische feministische Positionen nicht erklärt, sondern symbolische repräsentiert werden.

Durch das Schaffen neuer intellektueller Traditionen jenseits der weißen/ männlichen akademischen Geschichte hinterfragen afrikanische Feministinnen die Legitimität von Wissensproduktion und dekolonisieren und depatriarchalisieren die Gedanken. (Anm. im Englischen leichter lesbare Anspielung auf Ngugi wa’Thiongos „Decolonizing the Mind„)

Afrikanisches feministisches Denken wird angetrieben von der Idee, dass Liebe und Gerechtigkeit ergänzend zu Revolution und Veränderung sind. Es ist fokussiert auf Heilung, Versöhnung und auf das Bestehen darauf, dass die Sprache afrikanischer womanhood, von ihrer umfassenden Position aus, jene Sprache ist, welche die Gesellschaft in eine Gesellschaft überführen kann, die sich sexuelle, racial, spirituelle, psychologische und soziale Gleichberechtigung leistet. In einer solchen Gesellschaft können Menschen Leben führen mit weniger täglichen Mikro- und Makro-Agressionen, weniger Feindlichkeit und mehr Platz für Selbstverwirklichung. Von der Miriam Makebas Musik über Oumou Sys Mode hinzu Nike Ogundaikes Kunst, afrikanische Feministinnen sind vorn dabei, wenn es darum geht Kreativität zu nutzen um auszudrücken, dass progressive Gedanken nicht nur zerebral, sondern auch viszeral und ausdruckstark sind.

Mehr afrikanische feministische Rescourcen gibt es hier.

3 Kommentare zu “Afrikanischer Feminismus: 7 Hauptthemen

  1. Pingback: Links zum Wochenende #2 | derblogderkleinenethnologin

  2. Pingback: Links zum Wochenende #2 | Claire Grauer

Hinterlasse einen Kommentar