Gestern endlich mein Berlinale Einstand. „Audre Lorde – The Berlin Years 1984 to 1992„stand dafür auf meinem Programm. Und sollte ich als absolut würdig beweisen. Nun sitze ich hier und versuche eine Kritik zum Film/ einen Bericht zu Erlebnis zu schreiben und setze immer wieder neu an.
Das erste Mal habe ich von Audre Lorde gehört in meinem dritten Bachelor-Semester. In einem Seminar über Diaspora lasen wir Gedichte von May Ayim. Und über May Ayim kammen wir zu „Farbe bekennen“, jenem Buch, welches auch Lorde mit angestoßen hat in den „Berlin Years“. Wir haben den Dokumentationsfilm „Hope in my Heart – The May Ayim Story“ gesehen, der wie „Audre Lorde – The Berlin Years 1984 to 1992“, vo Dagmar Schultz stammte und lasen ihre Gedichte an ihrem Grab. Mit meiner Gruppe beschloss ich für das Abschlussprojekt in dem Kurs eine Präsentation zu ADEFRA e.V. zu machen.
Im Vorwort zu „Farbe bekennen“ heißt es über Audre Lorde:
Audre Lorde hat uns nicht nur zu dieser Arbeit ermutigt, sondern und auch in den Jahren danach bis zu ihrem viel zu frühen Tod im Jahre 1992 empathisch begleitet. Es ist ein glücklicher Umstand für uns, die Schwarze Community in Deutschland, dass ihr weltweites Engagement in der Frauenbewegung sie auch an diesen Ort führte. Einmal stieß sie mit der Anregung zu Farbe bekennen die Schwarze Bewegung in Deutschland mit an und auf der anderen Seite setze sie den Diskurs über Rassismus in der weißen deutschen Frauenbewegung in Gang und brachte ihn voran.
Der nun gezeigte Dokumentarfilm scheint wie eine perfekte Bebilderung für all das, was in diesem Absatz steckt und noch viel mehr. Über weite Teile tragen Gedichte, Vortragsfragmente und Gespräche von Audre Lorde den Film, dazwischen alte und neue Interview, nur ganz selten eine Erzählstimme. Die Filmaufnahmen, die nicht primär für einen Dokumentarfilm entstanden, haben Charme: hin und wieder verwackelt, persönlich, nah. Aber immer auch wieder kunstvoll. Der Blick ist kein kühler, distanzierter, sondern immer freundschaftlich, liebevoll.
Ich kann den Film natürlich nur aus meiner weißen Perspektive betrachten und möchte daher auch vor allem sagen, was ich denke, was weiße Menschen hier lernen können: Neben den wundervollen Bildern und Einblicken in das Leben einer bewundernswerten Frau, einer „black lesbian feminist mother poet warrior“, wie sie sich selbst oft benannte, finden sich viele Einsichten in das politische Denken Audre Lordes. Immer wieder argumentiert sie, wie wichtig das gegenseitige Kennenlernen und Kommunizieren für Schwarze Frauen in Deutschland ist. Das Bilden eines Netzwerkes. Auf der anderen Seite ist es wichtig für weiße Feminist_innen Unterschiede zwischen den eigenen Erfahrungen und denen Schwarzer Frauen anzuerkennen. Diesen Gedanken, dass weiße Feminist_innen auch Teil eines rassistischen Systems sind, kann man_frau einfach nicht zu häufig fassen.
Der Film lässt Audre Lorde zu Wort kommen, aber auch viele der Menschen, die sie beeinflusst hat. Wenn der Film dann endet mit letzten Interviewssequenzen, in denen verschiedene Frauen deutlich machen, dass Audre Lordes Wirken bis heute auf sie Einfluss hat, möchte man_frau allen Anwesenden zurufen, sofort nach Hause zu gehen und – wenn dies noch nicht geschah – die Bücher von Lorde (und außerdem unbedingt „Farbe bekennen“) aufzuschlagen und zu lesen. Und dann die Erkenntnisse im eigenen Aktivismus umzusetzen.
Heute wäre Audre Lorde 78 Jahre alt geworden.
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