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Hier hatte ich bereits vor einiger Zeit ein paar Fakten rund um die Négritude und zwei Artikel zusammengefasst. Nun werde ich in einer kleinen Reihe nochmals ausführlicher diese wichtige kulturelle und ideologische/ politische Strömung mit einem Schwerpunkt auf Senghors Négritude betrachten. Teil 1 beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte, die Hintergründe und verschiedenste Einflüsse.

Hintergrund

„In what circumstances did Aimé Césaire and I launch the word negritude between 1933 and 1935? At that time, along with several other black students we were plunged into a panic-stricken despair. The horizon was blocked. No reform was in sight and the colonizers were justifying our political and economic dependence by the theory of the tabula rasa . . . . In order to establish an effective revolution, our revolution we had first to divest ourselves of our borrowed attire – that of assimilation – and assert our being, that is to say our negritude.“ (Senghor zitiert bei Washington Bâ, Sylvia)

Das Konzept der Négritude entstand in den 1930iger Jahren in Paris. Für diese Zeit wird Paris auch gern als „Black Paris“ beschrieben. Dort tanzte Josephine Baker. Afrikanische und karibische Studierende kamen zusammen. Doch trotz allem waren sie alle auch dem Rassismus der weißen Gesellschaft ausgesetzt.

In Paris enstand aus den verschiedensten Einflüssen die Négritude und mit ihr auch das erste Verbreitungsorgan, die Zeitschrift L’Etudiant noir, in welcher auch Léopold Sédar Senghor, der spätere senegalesische  Präsident, seine ersten Gedanken veröffentlichte.

Einflüsse auf Senghors Négritude

Aimé Césaire und Léon Gontran Damas

Mit Senghor werden immer wieder Césaire und Damas als die anderen beiden Gründer der Négritude benannt. Gemeinsam haben sie alle drei, dass sie aus französischen Kolonien entstammten und als Dichter und Politiker tätig werden sollten.

Césaire, 1913 auf Martinique geboren, veröffentlichte erstmals in seinem Gedicht „Cahiers d’un retour au pays natal“ (1939) den Begriff der Négritude. Auch berichtete Senghor, dass Césaire den Begriff erfunden hätte. Im cahiers findet sich nicht nur eine Nutzung des Begriffes, sondern auch die Koppelung an eine politische Willensbekundung.

Damas, der 1912 in Französisch Guyana zur Welt kam, bezeichnete Senghor als den ersten „engagierten Autor“ ihrer Gruppe (z.B. „Pigments“ in 1937). Mit seinen ersten Werken schuf er auch einen ersten Rahmen für die folgende Négritude-Dichtung.

Senghor übernahm viele Ideen dieser beiden Männer und entwickelte mit ihnen gemeinsam seine Ideologie, doch sah er auch klare Unterschiede zwischen der Situation der Afrikaner und der Menschen in den „alten Kolonien“ (Karibik). Diese formulierten durch ihre andere Situation – viele stellten erst in Paris selbst fest, wie stark sie diskriminiert wurden – viel radikaler. Auch machte Senghor mit seiner Beobachtung „viele Diplome, keine Kultur“ klar, dass er die reine Assimilation über Bildung nicht als Ziel für Afrikaner erachten konnte und warf den karibischen Ländern vor sich nicht auf ihre kulturellen Wurzeln zu beziehen.

(US-)Amerikanische Einflüsse

Nicht nur der rege Austausch mit karibischen und afrikanischen Studierenden, sondern auch die Lektüre (und späteren Bekanntschaften) us-amerikanischer Autoren beeinflusste Senghor. W.E.B. Du Bois („Die Seelen der Schwarzen“) bezeichnete er als Vater der Négritude.  Darüber hinaus beeinflussten ihn die kulturellen Werke der „Harlem Renaissance“, eine Kultur- und Literaturbewegung, der 1920iger Jahre und hier besonders die Anthologie „The New Negro“, welche 1925 herausgekommen war. Dieses erklärte Senghor auch zu einem seiner Lieblingsbücher. Des weiteren las Senghor Claude McKay, welchen er als „Erfinder“ der Werte der Négritude bezeichnete, und Langston Hughes, von welchem er die Idee der „emotionalen Empfänglichkeit“ als positiven Wert der Schwarzen übernahm (welcher ihn natürlich unter anderem immer wieder die Kritik des Essentialismus einbrachte und der Weiterschreibung rassistischer Zuschreibungen).

Europäische Einflüsse

Viele Ideen entnahm Senghor auch seiner wissenschaftlichen Ausbildung in Paris oder wissenschaftlicher Bücher, die er in Paris las. So schenkte ihm „Die Kulturgeschichte Afrikas“ von Leo Frobenius. Um nur einige andere Namen zu nennen: Er lernte beim Anthropologen Paul Rivet, der den Einfluss Schwarzer auf die Menschheitsgeschichte bestätigte. Er hörte, wie der Linguist Lilias Homburger die Verwandschaft ägyptischer und „afrikanischer“ Sprachen bewies. Die Ethnologen Maurice Delafosse und Robert Delavignette stellten die These auf, dass es auch in Afrika imperiale Strukturen in vorkolonialer Zeit gegeben hatte. All diese Thesen und Erkenntnisse sprechen natürlich gegen die „tabula rasa“ Theorie der Kolonialherren, die Theorie, dass Afrika keine Geschichte hätte.

Darüber hinaus war Senghor mit Georges Pompidou befreundet, der ihn sozialistische Inhalte näher brachte.

Kein direkter Einfluss, aber ein Faktor zum Bekannterwerden der Négritude: Jean-Paul Satre konnte als Verbündeter gewonnen werden und schrieb später die berühmte Einführung „Schwarzer Orpheus“.

Quellen

Njami, Simon. 2006. C’était Sénghor. Paris: Fayard, S. 75-126.

Riesz, Janos. 2006. Léopold Sédar Senghor und der afrikanische Aufbruch im 20. Jahrhundert. Wuppertal: Hammer.

Washington Bâ, Sylvia.1973. The Concept of Negritude in the Poetry of Léopold Sédar Senghor. Princeton, New Jersey: Princeton University Press.

2 Kommentare zu “Négritude – Teil 1: Die Anfänge

  1. Pingback: Négritude – Teil 2: Die Literatur « Afrika Wissen Schaft

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