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Rassistischer Sprache bzw. rassistischen Sprachpraxen kan man jedem Tag begegnen: in Zeitungen, im Fernsehen, in Gesprächen jeglicher Art. Eigentlich sollte man davon ausgehen können, dass in einem Fach wie Afrikawissenschaften dies nicht der Fall ist, sondern die Thematik präsent ist und mit ihr sensibel umgegangen wird. Doch die Realität sieht anders aus.

Sicher, es ist auch naiv zu denken, dass Student_innen der Afrikawissenschaften sich kritischer mit Sprache auseinandersetzen. Aber in kaum einer anderen Wissenschaft ist die Chance größer auf Dinge wie „critical whiteness studies“ zu stoßen. Und sollten Themen wie Kolonialismus, Diaspora und Migration nicht irgendwie die Augen öffnen?

Als ich mit dem Studium angefangen habe, war Rassismus mir als Thema nicht fremd. Ich kannte bereits den ISD (Initiative Schwarzer Deutscher) durch eine Mitschülerin, ich fand es doof, dass es in Berlin eine M.straße gibt und auch sonst fand ich mich ganz tolerant. Sagen wir es anders: Ich wusste nicht viel. Ich war mir meines weißen Privelegs kaum bewusst, zu mindestens konnte ich es noch nicht so klar benennen.

Doch gerade, wenn man sich wissenschaftlich mit Afrika beschäfftigt, sollte dass doch auch eine Reflexion über die Sprache ÜBER Afrika beinhalten. Wie sonst könnte ich eine Arbeit über Afrika schreiben, wenn ich mich nie mit dem Vokabular befasst habe, welches mir umgangsprachlich im Deutschen zur Verfügung steht? Und auch eine Beschäftigung damit, dass man als Teil des vorwiegend weißen Wissenschaftsbetriebes priveligiert ist, war für mich unausweichlich. Ich habe mich in den letzten Jahren also immer mehr mit der Thematik befasst und dies stürzte mich auch hin und wieder in Sinnkrisen à la „Darf ich überhaupt etwas zu dem Thema sagen“. Ausgelernt habe auch ich bis heute nicht. Aber ich bin jederzeit bereit mich berichtigen oder belehren zu lassen und ich habe ein grundlegendes Problembewusstsein.

Dozent_innen

Wie überall gibt es natürlich solche und solche Dozent_innen. Rassistische Sprachhandlungen sind mir persönlich eher bei Dozent_innen aus dem Bereich Geschichte aufgefallen. Ich kann nicht sagen, ob das in irgendeiner Art und Weise symptomanisch ist, oder schlicht und einfach ein Zufall (meine Beobachtungen sind ja empirisch nicht wirklich standhaft). Neben der vollkommen unreflektierten Nutzung von Begrifflichkeiten wie „3.Welt“ und „Stämmen“, begegnete mir in den letzten Jahren auch oft die ironische Nutzung der Begriffe. Auf FeministFrequency gab es zu einem ähnlichem Thema (Retro Sexism) vor einiger Zeit einen netten Beitrag, den man hier findet: klick. Von Dozent_innen, die derart achtlos mit Wörtern umgehen ist leider auch kein Eingreifen zu erwarten, bei rassistischen Sprachhandlungen ihrer Student_innen.

Lektüre

Die Pflichtlektüre (wovon es bei uns wirklich sehr viel gibt) besteht natürlich nicht nur aus frisch erschienen Texten, die kritische Begriffe nicht verwenden (was natürlich nicht heißt, dass neuere Texte dies nie tun, aber die Wahrscheinlichkeit sinkt schon in meinem Fachgebiet), sondern oftmals auch aus Beiträgen aus den 1970ern (etc.) und den dort selbstverständlichen Formulierungen. Diese werden aber im Kurs kaum bis nie problematisiert.

Student_innen

Im Masterstudiengang treffen bei uns Student_innen aus verschiedensten Studienrichtungen zusammen. Bei Studierenden aus anderen Fächern ist eine Sensibilisierung für die Thematik noch seltener. Nun muss man sich vorstellen, wie diese in Kursen sitzen, in denen unkommentiert alte Texte bearbeitet werden (also kommentiert werden diese schon, aber gerade die Sprache eigentlich nicht) und ihnen gegenüber Dozent_innen, die rassistische Sprachhandlungen nicht aufgreifen und kritisieren und im schlimmsten Fall selbst rassistische Sprache verwenden. Da kann auch schonmal ein Vortrag gehalten werden, in dem ungefähr 100x der Begriff „Schwarzafrika“  und „Schwarzafrikaner“ fallen kann. Das ist keinesfalls hilfreich.

Und auch ich bin sicher nicht unschuldig: Oft verdrehe ich nur die Augen. Ich bin es etwas Leid den Erklärbär zu machen und mit mir auch die meisten Student_innen, die sich über ihr weißes Priveleg bewusst sind und sich mit rassistischen Sprachhandlungen auseinander gesetzt haben und dies weiterhin tun. Das liegt sicher auch daran, dass man sich in den erwähnten Situationen manchmal nicht sicher ist, ob ein Einwand nicht vielleicht durch einen ironischen Kommentar der/des Dozent_in zu nichte gemacht würde.

Am Dienstag wurden wir gefragt, welche Verbesserungen wir für den Masterstudiengang vorschlagen würden. Ich einen Anfangscrashkurs zum Thema „Rassistische Sprache“ vorgeschlagen. Ich werde mich weiter dafür einsetzten und hoffen, dass so ein Kurs der Beginn für eine kritische Reflexion geben wird.

Anmerkung: Ich bedanke mich natürlich an meine kritischen Mitstudent_innen, die es natürlich auch gibt! Und bei den Dozent_innen, die mir geholfen haben mich weiterzuentwickeln und immer mehr zu hinterfragen. Wie gesagt: Es gibt eben solche und solche.

10 Kommentare zu “Rassistische Sprache in afrikawissenschaftlichen Kursen

  1. Jetzt offenbart sich vielleicht meine mangelnde Sensibilität, aber was ist an den Begriffen „3. Welt“ und „Stamm“ rassistisch?

  2. Lieber Ben,

    Susan Arndt hat einen guten Beitrag zu rassistischer Sprache geschrieben:
    „Kolonialismus, Rassismus und Sprache“, da nimmt sie auch auf „Stamm“ Bezug.

    Die Begriffe „1. Welt“ und „3. Welt“ implizieren, dass es klar voneinander abgetrennte Teilgebiete gibt (und das bezieht sich nicht nur auf Geographie, sondern auch auf Wirtschaft, Geschichte, Kultur…), die sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden. Zum einen werden dort monolithische Einheiten konstruiert, die es schlicht und einfach nicht gibt („Westliche Welt“ vs. „Nicht-westliche Welt“, „Zivilisation“ vs. „Nicht-Zivilisation“ etc.) und zum anderen eine klare Hierarchisierung manifestiert, was schon in der Bezeichnung der so genannten „westlichen Welt“ mit „1. Welt“ deutlich wird.

    Gruß, Magda

  3. Liebe Magda,

    vielen Dank für die Aufklärung – es versteckt sich doch mehr in Sprache als man manchmal annimmt (naja, zumindest als ich oftmals annehme). Zumindest was „Stamm“ angeht, verstehe ich jetzt das Problem.

    Was ich leider immer noch nicht nachvollziehen kann ist, warum die Bezeichnung „3. Welt“ rassistisch sein soll. Selbst wenn man den Begriff nicht im Kontext des kalten Krieges als Sammelbezeichnung für die blockfreien Staaten verwendet, sondern für alle Entwicklungsländer, sehe ich keinen Rassismus am Werk. Sicher ist der Begriff von einer sehr westlichen Sichtweise geprägt und suggeriert mangelnde Entwicklung, aber das ist ja gerade der Punkt – die Zusammenfassung aller Staaten, deren volkswirtschaftliche Entwicklung nicht die der Industriestaaten erreicht hat. Sicher ist damit auch eine gewisse Hierarchisierung verbunden, aber diese knüpft an der wirtschaftlichen Entwicklung an und enthält aus meiner Sicht keine Wertung in kultureller oder zivilisatorischer Hinsicht. Der Begriff „3. Welt“ scheint mir auch nicht ein Synonym für das Fremde als solches zu sein. Vielleicht habe ich ein anderes Verständnis von „3. Welt“, vielleicht entgehen mir Feinheiten der Bedeutung, aber ich kann weiterhin nicht erkennen, was an „3. Welt“ rassistisch sein soll.

    Grüße,
    Ben

  4. Hallo Ben,

    eine so genannte westliche Sichtweise ist in den meisten Fällen auch eine dezidiert weiße Perspektive. Und natürlich gehen mit dem Begriff „Dritte Welt“ auch kulturelle und soziale Abwertungen einher und nicht nur ökonomische oder politische. Aber vielleicht argumentieren wir auch auf einem unterschiedlichen Rassismusverständnis. Rassismus bedeutet ja nicht nur die Homogenisierung, Alterisierung und Hierarchisierung von allem Nicht-Weißen, sondern auch die Normsetzung von weißen Perspektiven, die in hegemoniale Diskurse eingebettet sind und somit meistens unsichtbar bleiben.

    Der Link von Magda ist schon sehr hilfreich, ich kann das Buch von Susan Arndt und Antje Hornscheidt „Afrika und die deutsche Sprache“ empfehlen.

    Liebe Grüße,
    lantzschi

  5. Hi,

    es tut mir sehr Leid, dass ich dir, Ben, nicht am Wochenende antworten konnte, aber ich war a) krank und b) auf einem Präsenzseminar der Fernuni (ja wirklich :D).

    Vielen Dank an Magda und lantzschi für das „Einspringen“ und Erläutern! Ich möchte mich sehr lantzschis Literaturtipp anschließen und dem noch hinzufügen, dass ich ja bereits bei meinem Beitrag „Feiertage sind Büchertage“ das neue Buch von Antje Lann Hornscheidt (gemeinsam herausgegeben mit Adibeli Nduka-Agwu ) „Rassismus auf gut Deutsch: Ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen“ erwähnt hatte. Das ist auch immer noch sehr empfehlenswert!

    Viele Grüße

  6. Hi,

    sorry, dass ich so lange nicht geantwortet habe, es war viel los. Vielen Dank an alle für die Aufklärung und die Büchertips – stehen auf meiner Liste für den nächsten Urlaub. 🙂

    Liebe Grüße,
    Ben

  7. *wuahaha* Afrikanisten können die größten Rassisten sein. Was da nicht chaotisch, ungeplant und schwarz ist, kann ja wohl nicht afrikanisch sein. Eish! Was ich da alles erlebt habe. Ich war ja auch nie in Afrika, weil ich nur in Südafrika war. ^^

  8. Pingback: Rassismus an der Hochschule « Afrika Wissen Schaft

  9. „Schwarzafrika“ steht auch im Lehrplan der Realschulen in Bayern, Erdkunde, siebte Klasse. Dementsprechend auch in den allermeisten Schulbüchern. Traurig.

    • Ja, das ist wirklich traurig. Allgemein zur Darstellung Afrikas in den deutschen Medien und Schulbüchern gab es 2001 mal eine Publikation der Konrad-Adenauer-Stiftung: http://www.kas.de/wf/doc/kas_177-544-1-30.pdf?040415180721, wo einiges zusammengefasst wird. Leider wird dort der Begriff „Schwarzafrika“ gar nicht problematisiert (und andere Begriffe, um sie zu kritisieren immer wieder reproduziert…). Aber vielleicht trotzdem interessant für einige.

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