Oftmals wird davon ausgegangen, dass „Genderthemen“ sich „nur“ um Frauen drehen (an dieser Aussage könnte man nun auch gleich eine ganze Menge diskutieren, aber das lieber ein anderes Mal). Heute soll es hier um Männlichkeiten gehen, um Pluralitäten und Hegemonien. Der hier veröffentlichte Beitrag ist ein Kapitel aus einer meiner Hausarbeiten.
In meiner Betrachtung und Analyse stütze ich mich in erster Linie auf das Konzept von Männlichkeiten und hegemonialer Männlichkeit von R.W. Connell. Der Plural von Männlichkeit wird genutzt, um zu zeigen, dass es nicht ein alleiniges Konzept von Männlichkeit gibt, sondern eine ganze Vielzahl, da sich Männlichkeit mit anderen Faktoren überschneidet, wie Ethnizität und Sexualität. Darüberhinaus zeigt der Plural an, dass die Konzeption veränderlich ist und jederzeit in historische Prozesse eingebunden ist.[1]
Das Konzept der hegemonialen Männlichkeit kam erstmals Anfang der 1980ern auf. Im Jahr 2005 diskutierte Connell gemeinsam mit James W. Messerschmidt das Modell nochmals. Sie machten dabei verschiedene Vorschläge für Weiterentwicklungen.
Das Konzept sehen Connell und Messerschmidt in vielen vorhergegangen Theorien verwurzelt. Als grundlegende Quellen nennen sie feministische Theorien zu Patriarchialität und die damit verbundenen Debatten sowie die Arbeiten von Feministinnen wie Angela Davis, welche die Intersektionalität von Geschlecht und race betrachteten.[2] Die Vorstellung der Hierarchie verschiedener Männlichkeiten fußte vorallem in der Erfahrung von homosexuellen Männern und deren Theoretisierung.[3] Darüber hinaus wurde das Konzept von der Psychoanalyse beeinflusst.[4]
Hegemoniale Männlichkeit meint nach Connell die Art der Parxis welche andauernde Dominanz bestimmter Männer erklärt.[5] Sie beschreibt also „jene Konfiguration sozialer Geschlechterpraxis, die die gegenwärtig angemessene und akzeptierte Legitimationsform patriarchaler Herrschaft abgibt“[6] Wie Kreisky feststellt, bedeutet das keinesfalls, dass jeder als männlich anerkannte Mensch tatsächliche teilhat an der hegemonialen Männlichkeit.[7] Connell erklärt, dass hegemoniale Männlichkeit nicht unbedingt das ist, was rein statistisch die Normalität (den Durchschnitt) darstellen würde, aber defintiv normativ wirkt, so dass sich Männer zu ihr positionieren.[8] Sie beschreibt auch noch zwei andere grobe Formen von Männlichkeit. Zum einen beschrieb sie jene Männer, welche von dem patriarchalen System profitieren, ohne selbst alle Ansprüche der hegemonialen Männlichkeit zu vereinen. Diese Gruppe benannte sie als komplizenhafte Männlichkeit.[9] Die andere Form ist die der untergeordneten Männlichkeit.
In dem bereits erwähnten Aufsatz von Connell und Messerschmidt zeigen sie vier Bereiche auf, in denen das Konzept weiter verfeinert werden muss. Zu erst betrachten sie die Geschlechterhierarchie und stellen fest, dass diese ganzheitlicher in ihrer gesamten Komplexität aufgefasst werden sollte, wie zum Beispiel die Handlungsfähigkeiten und Handlungen von untergeordneten Gruppen, gegenseitige Einflüsse von Geschlechterdynamiken auf soziale Dynamiken und die Rolle von Frauen bei der Konstruktion und Reproduktion von Männlichkeiten.[10]
Außerdem diskutieren die die Geographie von Männlichkeiten und gehen dabei auf die lokal spezifische Konstruktionen von hegemonialen Männlichkeiten ein. Sie schlagen eine Unterschiedung in drei Level von hegemonialer Männlichkeit: lokal (konstruiert im unmittelbaren Umfeld), regional (konstruiert auf dem Level der Kultur oder eines Staates) und global (konstruiert auf transnationaler Ebene). Zwischen diesen Ebenen gibt es natürlich Verbindungen und sie wirken aufeinander.[11]
Einen weiteren Fokus legen Connell und Messerschmidt auf die soziale Verkörperung, wobei „Körper“ wörtlich als solcher gemeint ist. Dazu zitieren sie einen anderen Aufsatz von Connell: „To understand embodiment and hegemony, we need to understand that bodies are both objects of social practice and agents in social practice“[12] Hegemoniale Männlichkeit ist also auch daran gebunden, wie der Körper genutzt und repräsentiert wird.[13]
Als letztes gehen Connell und Messerschmidt auf die Dynamiken von Männlichkeiten ein. Sie schreiben: „Although long acknowledged, the internal complexity of masculinities has only gradually come into focus as a research issue.“[14]. Hegemoniale Männlichkeit muss nicht immer zu einer zufriedenstellenden Lebenserfahrung für die teilhabenden Männer führen[15] und hegemoniale Männlichkeit (wie auch damit alle anderen Männlichkeiten) ist natürlich veränderlich und wird mit der Zeit geändert.[16]
Literatur
Connell, R. W.; Messerschmidt, James W. 2005. “Hegemonic Masculinity. Rethinking the Concept”, Gender & Society, Jg. 19, H. 6, S. 829–859.
Kreisky, Eva. 19.03.2007. „Konzeptuelle und theoretische Vorüberlungen.“, Veranstaltung vom 19.03.2007, aus der Reihe „Staat und Politik als institutionalisierte Männlichkeit“, Zürich. Online: http://www.evakreisky.at/2007/zuerichmann/vo_19-maerz_07.pdf. (30.09.2010)
Ratele, Kopano. 2006. “Ruling masculinity and sexuality”, Feminist Africa, H. 6, S. 48–64.
[1] Ratele 2006, S. 56
[2] Connell, Messerschmidt 2005, S. 831
[3] Connell, Messerschmidt 2005, S. 831
[4] Connell, Messerschmidt 2005, S. 832
[5] Connell, Messerschmidt 2005, S. 832
[6] Kreisky 19.03.2007, S. 6
[7] Kreisky 19.03.2007, S. 6
[8] Connell, Messerschmidt 2005, S. 832
[9] Connell, Messerschmidt 2005, S. 832
[10] Connell, Messerschmidt 2005, S. 848
[11] Connell, Messerschmidt 2005, S. 849
[12] Zitiert nach Connell, Messerschmidt 2005, S. 851
[13] Connell, Messerschmidt 2005, S. 851
[14] Connell, Messerschmidt 2005, S. 852
[15] Connell, Messerschmidt 2005, S. 852
[16] Connell, Messerschmidt 2005, S. 853
Es ist schade, dass das Konzept der Männlichkeiten bisher so wenig in die Psychologie Eingang gefunden hat – meines Wissens hat bisher nur Peter Jedlicka in seinem Buch „Männercoaching“ darauf bezug genommen.
Interessanter Blog!
Holger
Vielen Dank für deinen Kommentar 🙂
Mit Psychologie kenne ich mich leider auch gar nicht aus. Könnte mir aber tatsächlich vorstellen, dass das Konzept dort wirklich gewinnbringend integriert werden könnte (sollte?). Definitiv ein Hinweis darauf, dass interdisziplinares Handeln/Forschen/Denken wichtig ist.
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