Nun endlich, und damit für mich auch erstmal abschließend, mein zweiter Teil des Rückblickes auf den Genderkongress der bpb. Im Forum „Die neuen Haushälterinnen? – Krisenmanagment in einer männlich geprägten Wirtschaft“ diskutierte eine divers besetzte Runde über Quoten, Intersektionalität und „wer jetzt auch mal dürfe“.
Zuerst eine kurze Vorstellung des Podiums: Vom Publikum aus gesehen ganz links saß Gülay Ҫağlar. Sie ist Politikwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet „Gender und Globalisierung“ der Humboldt-Universität. Sie gibt unter anderem das 2010 erschiene Buch „Gender and Economics. Femistische Kritik der politischen Ökonomie“ mit heraus. Daneben saß, als quasi zweiter Vertreter der Wissenschaft, Alexander Nöhring vom GenderKompetenzZentrum. Rechts neben ihm hatte Jutta Freifrau von Falkenhausen Platz genommen. Sie ist Gründungsmitglied und Vizepräsidentin des Vereins FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e.V. Als Moderatorin des Forums saß mittig Helga Lukoschat vom EAF (Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft). Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V. saß rechts neben Lukoschat. Neben Holst saß als letzte Diskutant_in, die kurzfristig eingesprungene Annette von Wedel-Gödens, die bei der Deutschen Bahn die Abteilung „Programme und Projekte“ im Bereich Human Rescources leitet.
Es trafen also Wissenschaftler_innen auf Lobbyistinnen und „jemanden aus der Wirtschaft“. In der Diskussion zeigten sich dann auch die verschiedenen Schwerpunkte und Diskursebenen. Holst begann mit einem kurzen Vortrag zu aktuellen Diskussion und Tendenzen. Dabei stellte sie fest, dass besonders viele Männer in Führungspositionen wäre und dies verschiedene Auswirkungen habe: Zum einen gebe es für Männer somit ein großes Spektrum an Vorbilden, da natürlich die die große Anzahl auch eine Vielzahl von Führungsstilen, Arbeitsweisen etc. vertreten wären. Zum anderen wären so besonders männerdominierte Netzwerke entstanden, die auch mit dafür verantwortlich seien neue Männer in Führungspositionen zu bekommen.
Ҫağlar ging in ihrem Input vorallem auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingen ein. Sie präsentierte die These, dass Frauen in Gesellschaften, in denen sie an sich anerkannter wären, auch eher in der Privatwirtschaft aufsteigen würden. Dazu verglich sie den Frauenanteil in Parlamenten, im höheren Beamtendienst u.s.w. und stellte dabei, die erschreckend geringen Anteile in vielen Gesellschaftsbereichen heraus.
Falkenhausen sollte im Anschluss darstellen, was denn überhaupt Argumente seien dafür, dass Frauen in die Führungsetagen gelangen sollen. Sie nannte vier verschiedene Argumentationsbereiche. Als wichtigstes führte sie wirtschaftliche Faktoren an. Dazu berief sie sich unter anderem auch Studien, nach welchen es eine Korrelation zwischen kritischer Masse an Frauen und Gewinn gebe. Außerdem sei der Faktor der Kundinnen und auch Auftraggeberinnen nicht zu unterschätzen. Als zweiten Grund nannte sie schlichtweg die Demographie, die einen Wandel nötig mache. Außerdem würden mehr Frauen zu einer nachhaltigeren Unternehmensführung und -kultur führen. Ganz zum Schluss erklärte sie, dass natürlich auch der Wunsch nach (Geschlechter)Gerechtigkeit ein Argument sei, aber keines welches man so stark vortragen könne wie in erster Linie die wirtschaftlichen Faktoren.
Nöhrung versuchte mit seinem Beitrag dann das Bewusstsein für Diskriminierungen etwas weiter zu öffnen und die Realität in ihrer Komplexität darszustellen. Dabei ging es ihm vor allem darum, zu zeigen, dass der derzeitige Diskurs Mehrfachdiskriminierungen unsichtbar mache. Nöhrung stellte heraus, dass der aktuelle Diskurs doch in erster Linie eine Relevanz für „weiße, nicht-behinderte, heterosexuelle, Akademiker-Mittelklasse-Frauen“ habe. So verwies er auch darauf, dass oftmals, wenn Frauen in Führungspositionen kommen die Hausarbeit eben nicht beispielsweise zwischen Partnern aufgeteilt wird, sondern an illegal eingstellte, sozial nicht abgesicherte Frauen „abgegeben würde“, da das System nicht verändert würde, würde quasi die Diskriminierung einfach weitergereicht. Ҫağlar stimmte ihm hier in den meisten Punkten zu und merkte an, dass die Statistiken auf die sich Falkenhausen bezöge, durchaus strittig sind, da nicht sicher sei, ob es nicht Scheinkorrelationen sind.
Falkenhausen konterte Nöhrings Beitrag mit einem plakativen „Dürfen wir nicht auch mal“ („wir“ ist hier die von Nöhrung rausgestellte Frauengruppe). Man müsse in der Wirtschaft eben pragmatischer rangehen und darüberhinaus würden Frauen sicher weniger diskriminieren.
Zwischen diesen Polen waberte die Diskussion dann auch hin und her: Nöhring wurde vorgeworfen, dass seine Anmerkungen vielleicht richtig seien, aber für reele Forderungen einfach zu komplex. Dabei machte er durchaus auch praktische Vorschläge, wie Mehrfachquoten. Die Diskussion (auch mit dem Publikum), ob Frauen nun die besseren Haushälterinnen seien, driftete leider absolut ins essentialistische ab (wie ja auch schon bei Falkenhausen angeklungen). Frauen wurden hier gern als die besseren Menschen dargestellt, durch deren pure Anwesenheit bereits das Betriebsklima sich aufwärme und die Umsatzzahlen steigen würden (mal etwas überspitzt formuliert). Auch fand ich Aussagen, wie „Dürfen wir nicht auch mal“, ziemlich bedenklich. Sind sie doch von einer ziemlich privilegierten Sichtweise geprägt und zeigen eine Blindheit gegenüber anderen Diskriminierungen. Nöhrung und Ҫağlar versuchten gegen den Essentialismus und die Blindheit anzudisktuieren, doch leider hatte ich jedenfalls das Gefühl, dass vielen im Publikum eine Bauchpinselei à la „Frauen sind einfach mal toller“ ganz gut gefallen hat. Doch meine ich, kommen wir so sicher nicht weiter.