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SoSe2010 „Brennpunkte der kritischen Rezeption afrikanischer und lateinamerikanischer Literaturen“: Im Zuge der Prüfungsvorbereitung hatte ich für dieses Seminar nochmal einige der Themenschwerpunkte zusammengefasst. Dies sind zwar nur Stichpunkte und noch lückenhafter als vieles andere, aber hoffentlich ein guter Einstieg in die Thematiken. Heute: Moderne/Modernität.

Moderne ist eines der wichtigsten Paradigmen in der lateinamerikanischen Literaturrezeption. Bei meiner Zusammenfassung werde ich zu erst auf den Begriff eingehen. Dann kurz eine Diskussion zu afrikanischen Literaturen zeigen und dann in mehreren Teilen auf Diskurse rund um lateinamerikanische Literaturen eingehen.

Was bedeutet Moderne?

  • Relativer Begriff, keine einheitliche Verwendung
  • In erster Linie Epochenbegriff
  • Modernization: wird im Zusammenhang mit Fortschritt und Kapitalismus gesehen, außerdem der Fokus auf das Individuum (Aufklärung), Rationalität
  • Modernism: enger als „Moderne“, kultur- und literaturwissenschaftlicher Begriff, Strömung 20. Jahrhundert, Formen wie Fragmenation und Symbolismus, Vertreter wie Joyce und Flaubert
  • Postmoderne: Aus Modernism in den Literaturwissenschaften entstanden

Simon Gikandi: „African Literature and Modernity“

  • Kenianischer Literaturwissenschaftler, lehrt und lebt in den USA
  • Hauptthese: „Obwohl die „Moderne“ in den Texten ausgelassen wird, ist sie trotzdem vorhanden, da die Figuren in einem modernen Kontext entstanden sind.“
    • Er behandelt Werke aus den 1950er und 60ern
    • Moderne ist für ihn sichtbar in den Beziehungen zwischen den Figuren, kulturellem Nationalismus und sozialer Transformation
  • Frage: Ist Charisma ein Kriterium für Moderne?
  • Moderne sollte in das Zentrum von Debatten um afrikanische Literaturen gerückt werden, da:
    • Moderne die bestimmende Bedingung afrikanischer Literatur in der kolonialen wie postkolonialen Zeit war
    • Moderne ihren Einfluss in der Institution der afrikanischen Literatur einbringt hinter der Maske der Tradition
    • Moderne Grund und Symptom der afrikanischen Krise ist, welche jetzt auch die Literatur betrifft
  • Ernüchterung von der Moderne (wie es oftmals Thema ist), kann es nur geben, wenn zuvor eine Verzauberung von der Idee der Moderne stattgefunden hat
  • Afrikanische Literatur als Institution in der Krise, weil geknüpft an sozio-ökonomische Moderne
    • Erste Krise an den 1970ern, wo Literatur nicht mehr allein eine Autorität aus der historiographischen Tradition ziehen konnte
  • Tragik der Moderne in Afrika: Moderne verknüpft mit Kolonialismus
    • Neokolonialismus
    • Moderne parasitär genutzt, nicht selbst gestaltet (z.B. Mobutu)

Natascha Ueckmann: „Hybriditätskonzepte und Modernekritik in Lateinamerika“

  • Literaturwissenschaftlerin, Lateinamerikanistin
  • 1. Vorüberlung: Was heißt Moderne?
    • Habermas: Moderne umfasst europäische Modernisierung der Neuzeit (Aufklärung)
    • Frage: Wie kann außereuropäische Sklaverei mit europäischem Humanismus zusammen gedacht werden?
    • Neuere Perspektiven verweisen auf die Auseinandersetzung der europäischen Aufklärung und Modernisierung mit dem außereuropäischen „Anderem“
  • 2. Vorüberlung: Diskursignorierung in globalisierten Zeiten
    • Es gibt anglophonen, frankophonen und lateinamerikanischen Diskurs, die sich gegenseitig ignorieren
    • Einseitig englischsprachige Theorierezeption verweist auf geopolitisch asymmetrische Ressourcenverteilung
  • 3. Vorüberlegung: Black Atlantic
    • Überseeische Expansion wesensbestimmender Prozess für die Geschichte Europas
    • In der Atlantischen Welt des 16. Bis 19. Jahrhundert entstand in einem diskontinuierlichen und widersprüchlichem Prozess die europäische Moderne
    • Moderne darum eng verknüpft mit Kolonialismus und Sklaverei
    • Black Atlantic:
      • Plurikultureller Interaktionsraum
      • Entspricht einer verdrängten Dimension der Moderne
      • Schrecken der Sklaverei Anfangspunkt der Moderne
  • Kontrapunktische Kulturmoderne
    • Lateinamerikanische Diskurs läuft auf eine Dekonstruktion eurozentrischer Theorien von Moderne hinaus, der Lateinamerika per se mestizajisiert ist
    • Hybridität und Synkretismus haben sich schon lange entwickelt
    • Ziel: eine Modernitätstheorie zu entwickeln, die westlichen Monopolanspruch bei der Definition in Frage stellt und die konkrete Realität des „Zeitenmix“ in den Blick nimmt
    • Außerdem soll die vermeintliche Peripherie nicht als eindimensionales Opfer von Kolonialismus gesehen werden
    • Hybridisierungsprozesse, die gegenseitige Transkulturation, werden in den Blick genommen
    • Denker wie Canclini grenzen sich von dem Begriff Postkolonialität ab und favorisieren modernidad zur Benennung (doppelte Strategie des „inhabit“!)
    • Diese modernidad beinhaltet auf einer synchronen Ebene Hybridisierungen traditioneller und moderner Ausdrucksformen (Ständige Kreuzung von diesen Elementen), auf einer diachronen Ebene ambivalente Prozesse
    • Es geht Canclini um eine „Modernität ohne Illusionen“
    • Lateinamerika soll sich selbst als einen Teil der Moderne begreifen > Moderne ist nicht Ursprung sondern Konsequenz der europäischen Expansion, Globalisierung erschafft die Moderne, darum gibt  es auch keine reine Ausbreitung von Europa aus
    • Canclini sieht auch die Chance der Integration indianischer und anderer marginalisierten Kulturformen in der globalen Modernisierung
    • Sieber: „Modernitäten im Plural“
    • ABER: innermexikanischer Diskurs über die Richtigkeit der Thesen und Ideen (Canclini vs. Batalla), zB sei das indianische Zivilisationskonzept nicht vereinbar mit dem europäischen und darum nicht integrierbar > vermittelndes Konzept wäre vll. Spivak
    • Hauptfrage: Wie kann kulturelle Differenz bei zunehmender kultureller Vernetzung erhalten bleiben?

Bill Ashcroft: Modernities first-born: Latin America and post-colonial transformation“

  • Begriff der „first born modernity“
  • „post-colonial“ von den Lateinamerika-Studien zu erst als vereinnahmend angesehen, da aus dem anglophonen stammend
  • Definition S. 14
    • Lange Geschichte der postkolonialen Debatte in Lateinamerika
    • Subjekte schon in der Kolonialzeit als postcolonial verstanden
    • Postcolonial muss nicht gleichbedeutend mit anti-kolonial sein
  • Womit wird durch die Lateinamerikastudien „postcolonial studies“ erweitert?
    • Lateinamerika viel längere Kolonialzeit als bspw. Afrika
    • „long standing history of hybridity“
    • Lateinamerika als ein Kontinent gedacht, da es eine geteilte Sprache gibt
    • Reaktion auf diese Dinge in der kulturellen Produktion
  • „Testimonio“ (Zeugenbericht) als literarische Strategie (speziell Lateinamerika)
    • Subjekt fühlt sich als Teil einer marginalisierten Gruppe, welcher eine Stimme gegeben wird
    • Beispiel: Rigoberta Menchu (Guatemala)

Mario Roberto Morales: „Peripheral Modernity and Differential Mestizaje in Latin America: Outside Subalternist Postcolonialism“

  • Begriff der „peripheren Moderne“
  • Gegenposition zu Ashcroft
  • Lehnt Hybridität ab, definiert sich als Mestize
  • Gegen Latin American subaltern studies
  • Sünde, dass sie sich an Nordamerikanischen Akademien entwickelt haben
  • These: man kann subaltern – dominant nicht als feste Dichotomie indigen – weiß betrachten
  • Solche Bipolarität gab es kaum in der Realität
  • S. 492 criollo mestizo subject
  • Resultat: koloniale Mestizität

Literatur

Simon Gikandi. 2007. „African Literature and Modernity“, in: Klein, Tobias Robert et.al. (Hg.).Texts, Tasks and Theories: Versions and Subversions in African Literatures. Amsterdam & New York: Rodopi, 3-19.

Natascha Ueckmann. 2009. „Hybriditätskonzepte und Modernekritik in Lateinamerika“, in: Klein, Wolfgang Klein et.al. (Hg.). Dazwischen. Reisen – Metropolen – Avantgarden. Festschrift für Wolfgang Asholt. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 507-529.

Mario Roberto Morales.2008. „Peripheral Modernity and Differential Mestizaje in Latin America: Outside Subalternist Postcolonialism“, in: Coloniality at Large, 479-505.

Canclini, Néstor García. „Hybrid Cultures“, Introduction and Chapter 1

Jeyifo, Biodun. 2007.  „In the Wake of Colonialism and Modernity“, in: African Literature: An Anthology, 608-613.

Bill Ashcroft. 1999. „Modernityís first-born: Latin America and post-colonial transformation“, in: de Toro, Alfonso et.al. (Hg.). El debate de la postcolonialidad en Latinoamèrica. Una postmodernidad perifèrica o cambio de paradigma en el pensamiento latinoamericano. Madrid: Iberoamericana; Frankfurt: Vervuert, 13-29.

2 Kommentare zu “Moderne / Modernität

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